Junghans verwendete für seine Mysterieusen zwischen 1903 und 1938 33 verschiedene Kunstgussfiguren, von denen einige auch noch in verschiedener Oberflächenveredelung angeboten wurden: vergoldet, versilbert oder patiniert (Mercurio Piccolo, 1913 und 1914, braun patiniert oder golden galvanisiert, Elegant von 1911 – 1938 in Gold, Silber oder patiniert, Gamin, 1911-1915 mit Uhr Typ 2 dunkelgrün patiniert und 1923-1935 mit Uhr Typ 1 bronzefarben patiniert).
Die Stilrichtungen der verwendeten Figuren reichen dabei von der späten Renaissance des Hermes von Giovanni di Bologna über die barocken Engelsfiguren des Amour und Venedig, die für den französischen Markt gefertigten Figuren im Stil des Historismus wie die Prisonniere und der Gloire bis zu den realistischen Tierfiguren Elefant und Känguru und den Figuren im Jugendstil wie Elegant und Salome.
6.1 Herstellung und Material der Kunstgußfiguren
Mit der Forderung nach einem industriell zu fertigenden Produkt auf der Basis eines Bildhauer-Unikats aus Bronze stellte sich die Frage nach dem Ersatz der teuren und relativ schwierig zu verarbeitenden Bronze durch ein billigeres Material mit einfacheren Fertigungsmöglichkeiten bei noch ausreichenden Materialeigenschaften.
In diesem Zeitraum begann die Verwendung von Zink als Material für künstlerische Abformungen.
Zink stand in großen Mengen billig zur Verfügung, seine niedrige Schmelztemperatur von ca. 420°C ist weniger als halb so hoch wie die von Bronze, es ist oxidationsresistent, von ausreichender Härte und gut geeignet für verschiedene Gußverfahren und Anwendungen in Architektur, Bauwesen und Kunst (7)(8)(9).
Natürlich ist Bronze in vielen Materialparametern weit überlegen, Bronzeplastiken können Jahrtausende überdauern, aber die große Zahl von Zinkfiguren, die uns aus den letzten 200 Jahren erhalten ist, zeigt, dass auch dieses Material seine sinnvollen Anwendungen hat.
Es ist hierbei zu bedenken: während der Kriege genossen die „großen“ Kunstwerke einen gewissen Schutz, während das erklärte Ziel des Bombenkrieges die möglichst vollständige Zerstörung des Eigentums des städtischen Bürgertums war, genau jener Bevölkerungsgruppe, für die einmal Gegenstände wie die Mysterieusen der Firma Junghans produziert worden waren. Hieraus, aus den Umständen der folgenden Besatzungszeit und aus dem in den Nachkriegsjahren allgemein vorherrschenden Trend, „altes“ durch „neues“ zu ersetzen, resultiert, dass heute so gut wie keine dieser Uhren in Deutschland mehr zu finden sind.
Die Junghans Kunstgussfiguren wurden üblicherweise im Sturzgußverfahren hergestellt. Dabei wird das geschmolzene Zink in eine kalte Form gegossen und erstarrt an deren Innerer Oberfläche. Noch vor dem Erstarren des Kerns wird die Form umgedreht (gestürzt), so daß der noch flüssige Kern herausfließen kann. So entstehen sehr detailgenaue hohle Abformungen mit guter Oberflächenqualität. Allerdings erklärt sich durch die Anwendung dieser Gußtechnik auch, dass die Figuren häufig dünne Stellen, oft sogar Risse aufweisen, die zwar kaum zu sehen sind, durch die jedoch bei der Reinigung durch Tauchen in Reinigungsflüssigkeit dieses in die Figur eindringt, das in vielen Fällen, wenn der Boden der Figur -wie z.B. bei der Elegant- mit einer Platte verlötet ist, nur schwer zu entfernen ist.
Die Weiterbearbeitung erfolgte dann auf unterschiedliche Weise.
Das einfachste Verfahren war eine galvanische Verkupferung, danach eine ebenfalls galvanische Versilberung.
Die Art der Vergoldung von Elegant und Merkur ist nur dem italienischen Katalog von 1913 zu entnehmen: hier wird die Vergoldung als „oro di Parigi“ bezeichnet. Hierbei handelt es sich um eine Blattvergoldung (Pariser Gold), die – je nach Quelle – aber auch eine falsche Blattvergoldung (mit dünngeschlagenem Messing) bedeuten kann. Tatsächlich jedoch sind die zur Verfügung stehenden vergoldeten Figuren eindeutig galvanisch vergoldet (Elegant, Il Mondo).
Kleinere Teile – wie z.B. die Uhrengehäuse der Typen 2 und 3 – wurden zunächst verkupfert und danach Vergoldet.
Bei den Figuren wurde eine galvanische Versilberung oder Vergoldung nur für die Elegant (=Arcano für den italienischen Markt), Rokoko und den Delphin angeboten.
Die Figuren für den deutschen Markt (sh. hierzu weiter unten) wurden üblicherweise durch eine künstliche Oxidierung der Oberfläche mit Hilfe chemischer Substanzen patiniert. Hierdurch lassen sich auf Zink braune, kupferfarbene und graue Metalltöne erzeugen. Für einige Figuren (Elefant, Freiheitsstatue, Gamin und Salome) wurde eine grüne Patinierung verwendet. Diese besteht jedoch aus einer Schicht, die wie eine Farbe aufgetragen und thermisch behandelt wurde (6). Obwohl diese Schicht sehr gut haltbar und kratzfest ist, gibt es Abplatzungen, die die relativ große Schichtdicke zeigen. An einer kleinen Abplatzung (ca. 2mm Durchmesser), die zufällig bei einer Salome in der Signatur des Bildhauers liegt, ist zu sehen, dass die Signatur nicht in die nasse Farbe geritzt wurde sondern in die darunterliegende Zinkschicht abgeformt wurde (hier: F. Iffland).